Hintergründe

Rüstungsaktien – Das Geschäft mit dem Tod

Rüstungsaktien – Das Geschäft mit dem Tod
Exorbitante Profite: Rüstungsindustrie verdient an Krieg in der Ukraine

Der Krieg in der Ukraine bedeutet Tod und Leid für die direkt Betroffenen und wirtschaftliche Probleme infolge von Sanktionen und Preissteigerungen. Rüstungsaktien jedoch florieren enorm. Ein Überblick über die größten Unternehmen.

von Thomas Kirchner

Die Erfolge waren gigantisch: 100 Prozent Gesamtrendite erzielten die Anleger von Rheinmetall in einem Jahr, 108 Prozent bei Italiens teilstaatlichem Rüstungsunternehmen Leonardo (bis 2017 Finmeccanica). Die Friedensdividende, von der die Welt nach dem Ende des Kalten Kriegs profitierte, fällt auf absehbare Zeit aus. Stattdessen profitieren Rüstungsaktien, besonders europäische, von den gigantischen Militärausgaben, die 2023 weltweit auf über 2,44 Billionen Dollar stiegen – 2018 waren es laut dem Stockholmer Sipri-Institut lediglich 1,99 Billionen Dollar. Davon entfallen etwa 55 Prozent auf die Nato-Staaten.

Es sind insbesondere die großen westlichen Unternehmen, die teure und komplexe Systeme entwickeln und herstellen können, die von den Steuergeldern und den gestiegenen staatlichen Kreditaufnahmen profitieren. Der amerikanische Mischkonzern RTX (bis 2023 Raytheon Technologies) bleibt mit einem Marktwert von 135 Milliarden Dollar der weltgrößte Rüstungshersteller, gefolgt von Lockheed Martin (111 Milliarden), General Dynamics (79 Milliarden) und Northrop Grumman (69 Milliarden).

Die BAE (British Aerospace, 48 Milliarden) ist derzeit der größte europäische Rüstungskonzern. Die Düsseldorfer Rheinmetall AG als größter deutscher Wehrkonzern liegt mit 23 Milliarden Marktwert nur im Mittelfeld und auch hinter ihrem französischen Konkurrenten Thales (35 Milliarden). Die stark geschrumpfte ThyssenKrupp (drei Milliarden), einst Synonym für deutsche Militärtechnik, erzielt heute weniger als fünf Prozent ihres Umsatzes mit Rüstung. Die großen chinesischen Rüstungskonzerne befinden sich im Staatsbesitz. Russische Waffenhersteller sind zwar börsennotiert, stehen aber unter westlichen Sanktionen.

Rüstungsaktien – Das Geschäft mit dem Tod

Es gibt Unterschiede zwischen den einzelnen Rüstungsaktien
Während die Kurse vieler europäischer Rüstungskonzerne bereits kräftige Gewinnzuwächse reflektieren, kommen die der US-Konkurrenz nicht in Fahrt. Doch das könnte sich bald ändern, denn auch in den USA erhöhen sich die ohnehin enormen Ausgaben um weitere 39 Milliarden Dollar. Die wahrscheinlichsten Nutznießer dürften Lockheed und General Dynamics werden, RTX in geringerem Umfang. US-Rüstungskonzerne sind derzeit niedriger bewertet als europäische – in anderen Branchen ist es umgekehrt. Es wird sich zeigen, ob die europäischen in ihre hohen Bewertungen hineinwachsen können. Friedensverhandlungen würden sie stärker treffen als ihre US-Konkurrenten.

Wichtig ist für Anleger, zu differenzieren. Nicht jede Firma, die mit Waffen zu tun hat, ist automatischen ein Kriegsgewinner. Schußwaffenhersteller wie Smith & Wesson (seit 2001 Teil der American Outdoor Brands) oder Sturm, Ruger & Co. bedienen den Markt von Sport- und Jagdwaffen. Heckler & Koch verkauft zwar Schußwaffen an das Militär, konnte aber bisher ebenfalls nicht von den gestiegenen Rüstungsausgaben profitieren. Die Aktie notiert niedriger als vor Corona.

Airbus wird häufig mit Rüstungsaktien in einen Korb geworfen, doch der Anteil militärischer Aufträge am Umsatz beträgt nur 17 Prozent, etwa halb soviel wie bei Boeing. Ähnlich sieht es bei MTU aus, die 77 Prozent ihres Umsatzes im zivilen Markt erwirtschaftet und auf Vor-Corona-Niveau notiert. Im Gegensatz dazu hat sich der Kurs des Konkurrenten Rolls-Royce im vergangenen Jahr vervierfacht, obwohl das militärische Segment einen fast gleich kleinen Anteil hat.

Erfolgreichste Neugründung ist Peter Thiels Palantir
Seit der Reform der US-Streitkräfte infolge des Zusammenbruchs des Warschauer Pakts ist zudem ein neuer Sektor in der Rüstungsindustrie entstanden: Militärdienstleistungen. Das sind zum einen die Privatarmeen, deren prominenteste Vertreter Constellis (früher Blackwater, dann Xe, jetzt Academi/ Triple Canopy) und dessen russisches Pendant Wagner PMC regelmäßig für Schlagzeilen sorgen. Diese Firmen sind allerdings nicht börsennotiert, sehr gut betuchte Anleger können allenfalls bei Privatplazierungen investieren.

Zum anderen profitiert eine lange Liste von Beratungsfirmen. Das sind zunächst die üblichen Verdächtigen wie McKinsey, Deloitte oder der ehemalige Arbeitgeber von Edward Snowden, Booz Allen Hamilton, die als Sozietäten organisiert und nicht investierbar sind. Doch darüber hinaus gibt es große börsennotierte Beratungsfirmen, die sich auf staatliche Aufträge spezialisieren, die überwiegend im Sicherheitssektor liegen. Leidos und SAIC sind die zwei größten mit 20 bzw. sieben Milliarden Dollar Marktwert. Beide zahlen mickrige Dividenden, gleichen das aber mit einer für den Sektor guten Kursentwicklung aus. Flugreisende erleben das zivile Geschäft Leidos, wenn sie durch deren Metalldetektoren laufen.

Leider sind viele der neuesten Hightech-Unternehmen im militärisch-industriellen Komplex noch nicht börsennotiert. Elon Musks SpaceX verdient gut mit dem Start von Spionagesatelliten, schreibt aber Verluste mit der Nutzung von Starlink durch die Ukraine. Die erfolgreichste Neugründung ist Peter Thiels Palantir, dessen komplexe Datenanalyse beispielsweise bei der Entdeckung von Osama bin Ladens Versteck eine Rolle gespielt haben soll. Palantir (seit 2020 börsennotiert) schaffte es, direkter Vertragspartner des Pentagon zu werden, ein Status, den sonst nur die etablierten Großkonzerne erreichen.

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