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Anarchokapitalist auf Reisen: Milei mischt Europa auf

Anarchokapitalist auf Reisen: Milei mischt Europa auf
Hoffnungsträger in Argentinien: Präsident Javier Milei

Auf seiner Europareise spaltet Javier Milei die Gemüter. Die einen begeistert der argentinische Präsident mit seinem freiheitsorientierten Wirtschaftskurs, die anderen sehen in ihm eine Gefahr für die Demokratie. Was will der Anarchokapitalist?

von Paula Sayatz

Vor wenigen Tagen begann Javier Milei seine Europareise. Er sollte dem spanischen Präsidenten Pedro Sánchez einen Besuch abstatten. Wäre da nicht die Aussagen über die Ehefrau von Sánchez. Milei nannte „korrupt“ und Sánchez sei „einen Feigling“, der Frauen vorschicke, um ihn „anzugreifen“, um ihn dann als „frauenfeindlich zu bezeichnen“. Überspitzte, direkte, oft populistisch Aussagen zeichnen Milei aus. Er spricht offen darüber, daß der Sozialismus entweder zu Sklaverei oder zum Tod führe. Genau dafür jubeln ihm gerade junge Argentinier zu. Sie sehen in ihm einen Hoffnungsträger, der sie zurück ins Jahr 1895 bringt. Das Jahr, in dem Argentinien das reichste Land der Welt war.

Seine zweite Station in Europa ist Deutschland. Bevor es am Sonntag zu Olaf Scholz geht, ehrt ihn am Samstag die Hayek Gesellschaft – eine „Vereinigung zur Förderung freiheitlicher Ideen im Sinne von Hayek“. Der Vorstandsvorsitzende des Vereins, Stefan Kooths, begründet die Auszeichnung Mileis am 22. Juni bei den Hayek-Tagen in Hamburg damit, daß er „es in einer demokratischen Wahl geschafft hat, für ein marktwirtschaftliches Reformprogramm eine deutliche Mehrheit zu gewinnen,“ sagt er dem ZDF.

Milei bleibt ehrlich

Vor der Gesellschaft referiert Milei rund eine Stunde und erzählt bodenständig, wieso er sich als Anarchokapitalist bezeichne. Seine Rede ist nicht populistisch, sondern stark klassisch biografisch und in großen Teilen trocken und wissenschaftlich aufgebaut. „50 Bücher“ habe er gelesen, bis er für sich verstanden hat, daß die Antwort, wie man eine florierende Wirtschaftslage zurückgewinnt, in den Wirtschaftstheorien der Österreichischen Schule liege.

Nach dieser Erkenntnis begibt sich Milei in die Politik, räumt medial alles ab, was geht. Unzählige Fernsehauftritte, ob als Superheld, als ernster Ökonom oder eben als Populist. Für seine marktliberalen Ideen begeistert er die Menschen auf ihm allen bekannten Wegen. Er macht beispielsweise kein Geheimnis daraus, daß die jungen Leute ihren Interessen entsprechend entzückt werden, indem politische Veranstaltungen genauso viel Spaß machen wie ein „Rolling Stones“-Konzert, damit „sie wiederkommen,“ beschreibt Milei seine Wahlkampagne in einer ruhigen, selbstbewußten Tonlage. Er benennt seine Ziele sachlich.

Argentinien soll wieder strahlen

Sein Denken ist nachvollziehbar und logisch, daß er als Präsident eben das Beste für sein Argentinien möchte. Auch benennt er ungeniert, warum seine Konkurrenz ein Problem mit ihm und seinesgleichen habe: „Die Sozialisten haben Angst vor uns, weil wir studieren, weil wir Bücher lesen,“ und „wir setzen Tatsachen um. Deswegen sind die Sozialisten so gewalttätig.“ Argentinien wolle er um „90 Plätze im internationalen Wirtschaftsranking“ hochskalieren, betont er sein wohl wichtigstes Ziel.

Bereits jetzt habe er „sechs Monate nach der Machtübernahme die größte steuerliche Anpassung in der Geschichte Argentiniens veranlaßt.“ Nicht in seiner Rede erwähnt hat Milei, daß er bereits 13 Ministerien, darunter jene für Kultur und Arbeit, abgeschafft habe. Stattdessen gründete er das Ministerium für Humankapital, um die Arbeit jener Ministerien zu bündeln.

Leitmedien verwenden Begriffe irreführend

Das oberste Ziel freiheitlicher Denker wie Milei ist es, den Staatsapparat zu reduzieren. Sie sehen eine Regierung als den Verursacher einer miserablen oder unbefriedigenden Wirtschaftslage und beteuern, daß die Lösung für gesellschaftlichen Wohlstand überwiegend in Marktprozessen liege, die sich organisch entwickeln. Das erklärt, weshalb Milei für Sozialisten ein Dorn im Auge ist. Auch deshalb blieben die Hayek-Tage von einer linken Gegendemo nicht verschont. Regenbogenflaggen und Plakate mit Sprüchen wie „Den sozialen Frieden brechen: Wer hat der gibt“ zierten die Wagen des Demozugs, der bereits eine Stunde vor Mileis Ankunft in der Nähe des Hotels startete. Am Hotel selbst bleibt es dank der abgesperrten Straße friedlich.

Leitmedien wie der Spiegel berichten vom Ereignis und werfen dabei mit Begriffen wie „ultraliberal“ und „Neoliberalismus“ irreführend um sich. Anarchokapitalist wird in Anführungszeichen gesetzt. Warum? Durch linke Bewegungen wie die 68er wurde der Neoliberalismus zum ungezügelten Laissez-faire Kapitalismus verteufelt, um sozialistische Vorstellungen als etwas Gutes zu illustrieren. Dieser Denkfehler zieht sich bis heute durch und zeigt die tendenziell linke Ausrichtung vieler Journalisten. Zusätzlich wirkt die Idee des Anarchokapitalismus befremdlich, weil diese Ordnung ein komplett privatisiertes Rechtssystem fordert. In einem Wohlfahrtsstaat wie Deutschland ist das für viele Menschen einfach nicht greifbar.

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